ORTE & PLÄTZE
Der Dachboden als Zeitkapsel
Vertrauter geheimnisvoller Ort
Um ausgewählte Dinge an nachfolgende Generationen weiterzugeben, wählte man bei größeren Bauprojekten eine Zeitkapsel zu ihrer Aufbewahrung. Eingelassen wurde sie zumeist im Grundstein – aber auch hoch oben in den sogenannten Kirchturmsknöpfen.

Die Idee dieser gesteuerten Zeitreisen ist nicht neu. Bereits der assyrische König Assurbanipal legte im siebenten vorchristlichen Jahrhundert eine aus 25.000 Tontafeln bestehende Bibliothek an, um das Wissen seiner Epoche der Nachwelt zu übergeben. Im Jahre 1846 entdeckten Archäologen seine Sammlung in Ninive, im heutigen Irak. Doch auch in moderner Form sind Zeitkapseln zu finden. So starteten in den 1970er Jahren die Raumsonden Pioneer 10 und 11 sowie Voyager 1 und 2 mit Plaketten zu dem Basis-Wissen über Mensch und Erde in die Tiefen des Weltalls.


Ähnliche Informationen sind aktuell in den Geo-Satelliten Lageos I und II im Orbit unterwegs. Aber es muss nicht immer derart hoch hinaus gehen: Im Oberrieder Stollen bei Freiburg im Breisgau befindet sich seit 1978 der Zentrale Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland. In einem ehemaligen Silberstollen lagern inzwischen mehr als 1.400 Edelstahlbehälter mit insgesamt 27 Millionen Metern Mikrofilm, der in Kopie das kulturelle Erbe der Bundesrepublik Deutschland für die Nachwelt speichern soll.

Ramsch oder unscheinbare Schätze?
Ein eher profaner aber beliebter Aufbewahrungsort sind unsere Dachböden. Dabei ist der Bereich zwischen letztem Wohngeschoss und Dach ursprünglich keine Zeitkapsel. Einst diente der Ort als Lager für Stroh, Korn oder Handelsware, bei Mietshäusern nutzte man ihn später als Trockenboden für die Wäsche. Im Gegensatz zum Keller, der vor allem zur Lagerung von Lebensmitteln und Brennstoffen diente, gab es beim Boden etwas mehr Freiraum für die Nutzung. Ohne den Druck der Vorratswirtschaft lagerte man im latenten Niemandsland der Dachböden jene Gegenstände, die nicht mehr zum eigentlichen Haushalt zählten, andererseits aber noch nicht weggeworfen werden sollten.

Scheinbar außerhalb der Zeit
Dabei lässt sich das anfänglich geplante Zwischenstadium nicht selten in Jahrzehnten messen. So sind Dachböden für ungezählte Gegenstände ein Ort des dauerhaften Dazwischen-Seins. In einem Zeitraum zwischen noch-nicht-weg und nicht-mehr-da lagern die unterschiedlichsten Dinge, friedlich vereint im gedämpften Schummerlicht unter dicken Staubschichten. Zwischen persönlichen Reliquien und liebenswertem Krempel sind es Kindheitserinnerungen, Ausrangiertes und halb Vergessenes, die einem unbestimmten Schicksal entgegendämmern.
Vieles hat dabei auf den Dachböden ein Stück der Zeitläufe überdauert, wenngleich der gute alte Dachboden keine ideale Zeitkapsel ist. In den meisten Fällen landen auf ihm keine extra ausgewählten Gegenstände. Vielmehr solche, die es in eine Auswahl nicht mehr geschafft haben, aber andererseits zum Wegwerfen noch nicht geeignet erscheinen. Durch die Auswahl ohne System entpuppen sich später viele Dachbodenfunde als Überraschungen. Mitunter messen sich die Funde aber auch in Kubikmetern, die entsorgt werden müssen.






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