ORTE & PLÄTZE

Naturwunder und Sehnsuchtsort

Lost Places, Romantik, Ruinen

Im 19. Jahrhundert zog sie zahlreiche bekannte Maler an, die in den alten Mauern passende Motive fanden. Zu ihnen gehörte auch Carl Gustav Carus. Er zählt neben Caspar David Friedrich oder Carl Blechen zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Romantik.

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Klosterruine Oybin mit Waldfriedhof
Unter den Malern der Romantik war der Klosterfriedhof ein Ort für eindrucksvoll programmatische Motive

Am 3. Januar 1789 erblickte Carl Gustav Carus im damaligen Ranstädter Steinweg 14 in Leipzig das Licht der Welt. Carus studierte in Leipzig Physik, Botanik und Chemie, ab 1806 Medizin. 1811 erwarb er in Philosophie und Medizin die Doktorgrade. Er stand in engem Kontakt mit den geistigen Größen seiner Zeit, unter anderem mit Johann Wolfgang Goethe, Caspar David Friedrich, Alexander von Humboldt oder Ludwig Tieck. Heute zählt der Arzt, Maler und Naturphilosoph zu den vielseitigsten Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts. Zu Ehren seines Wirkens trägt das Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden heute seinen Namen.

Ruine auf Berg
Das steile Sandsteinmassiv des Oybin nehmen die Ruinen von Burg und Coelestiner-Kloster ein
Spiegelbild im Waldsee
Dunkel und geheimnisvoll spiegeln sich die Ruinen im Hausgrundteich am Fuße des Berges

Das berühmte Fenster

Carus prägte den Begriff des Un-Bewusstseins, gilt als Vordenker der Tiefenpsychologie und der heutigen Ganzheitsmedizin. Seine Arbeiten als Maler spiegeln die Ansichten der Romantik: Gebirge, Mondnacht, Gotik und Ruinen waren Themen, an denen sich die zeitgenössische Naturauffassung mit dem klassischen Schönheitsideal verband. Carus verstand das Schöne im Goetheschen Sinn als Dreiklang von Gott, Natur und Mensch. Eng verbunden fühlte er sich in seinem malerischen Werk dem lebenslangen Freund Caspar David Friedrich. Wie Alexander Thiele, Adrian Zingg und andere bekannte Maler seiner Zeit entdeckte auch Carus die Ruine von Burg und Kloster Oybin als Inspiration und Motiv.

Bildmotiv gotisches Fenster
Das unscheinbare Vorbild von Carus' berühmten Fenster am Oybin im Mondschein [Quelle: Wikipedia]

Dort entstanden bekannte Gemälde wie Der Friedhof auf dem Oybin im Winter oder Fenster am Oybin im Mondschein. Durch diese Arbeiten entwickelte sich der abgelegene Berg mit seinen Ruinen bald zu einem Sehnsuchtsort der Romantik, der beständig Maler und Dichter, bald aber auch zahlreiche Sommerfrischler anzog. Mit der Erschließung der Gegend durch Postkutsche und Eisenbahn begann man, die Ruine von Burg und Kloster Oybin systematisch für die zahlreichen Besucher zu erschließen und damit der Nachwelt zu erhalten.

Mit seiner zweiten Italienreise wandte sich Carus später einer eigenständigeren Bildsprache zu. Seine Briefe über Landschaftsmalerei, die er 1831 veröffentlichte, gehören zu den wichtigsten kunsttheoretischen Schriften seiner Zeit. Auch in seinem Beruf als Arzt galt Carus als Koryphäe, noch zu seinen Lebzeiten wurde 1864 anlässlich seines 50. Dienstjubiläums die Carus-Stiftung zur Unterstützung wissenschaftlicher Forschungen gegründet. Carl Gustav Carus starb am 28. Juli 1869 in Dresden.

Drittes Burgtor
Die einst mächtige Burganlage bewahrte zeitweise Teile des Prager Domschatzes
Palas der Burg Oybin
Reste der Außenmauer vom Palas zeugen ebenfalls von Größe und Bedeutung
Blick vom Kreuzgang
Ein Felsabriss Ende des 17. Jahrhunderts riss einen Teil der Bauten in die Tiefe
Kreuzgang der Klosterkirche
Für den Klostergang musste der wenige zur Verfügung stehende Platz ausgenutzt werden

Schauervoller heiliger Anblick

Die eindrucksvolle Ruine auf dem nicht minder beachtenswerten Felsmassiv beschrieb der Arzt und Schriftsteller Christian August Peschek – eine Generation vor Carus – in einem zeitgenössischen Reiseführer:
Von dieser Schlucht steigt man sogleich daneben eine erneuerte oder ausgebesserte Treppe herauf in die alte gewiß sehr merkwürdige Klosterkirche. Von dieser ist unter allen Gebäuden noch am meisten zu sehn, welches wir ihrer äusern ordentlichen Festigkeit zu verdanken haben. Alle ihre Wände, die aus hier gebrochnen Steinen verfertigt, und für die Ewigkeit zusammengekittet zu seyn scheinen, und deren gegen Mittag stehende fast bis an das Dach aus dem Felsen gehauen ist, sind noch unversehrt, sogar bis auf die zierlichen Fensterstöcke. Aber das Dach ist eingestürzt, und man steht zwischen diesen öden, an 70 bis 80 Fuß hohen Mauern unterm freyen Himmel. Ein schauervoller heiliger Anblick, erhöht durch das wiederhallende dumpfe Getön jedes laut ausgesprochenen Wortes!

[Christian August Peschek: Der Oybin bey Zittau. Raubschloss, Kloster und Naturwunder. Mahlerisch und historisch beschrieben, Zittau und Leipzig: Johann David Schöps 1804]

Bibliotheksgang des Klosters
Wesentliche Teile stammen aus dem frühen 14. Jahrhundert und zeugen von hohem handwerklichen Können
Chorraum der Klosterkirche
Der Chorraum der Klosterkirche ist wegen seiner eindrucksvollen Akustik beliebter Ort für Konzerte
Auf der Choranlage
Oberhalb des Chorraums bietet sich Besuchern ein Rundblick über die nähere Umgebung
Chor von unten
Auf engstem Raum, dem die Natur die Form eines Bienenkorbes gab, reckt sich der Chor in die Höhe
Burgruine auf schmalem Fels
Respektvoll stehen auch heute die Ruinen auf dem Fels, die Burganlage galt als uneinnehmbar


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