Hopfen und Malz - Gott erhalt's


Markenbrauereien zu Lost Places verkommen

  INDUSTRIE   17 | 4:45 Min

Gesoffen wird seit Jahrzehnten und Jahrhunderten. Am Konsum wird sich in Zukunft nur wenig ändern, was seitens der Produktion nicht gesagt werden kann. Die radikalen wirtschaftlichen Umbrüche der Globalisierung trafen den Brauerei-Sektor besonders stark.

Umbau Brauereigelände
Die Brauerei C. W. Naumann wurde Teil eines Wohnparks, Bier kommt woanders her

Der massenhafte Bierkonsum setzt eine entsprechende Massenproduktion voraus. Die Brauereibetriebe, die in den letzten Jahrzehnten aus den Stadtstrukturen verschwanden, gehörten Jahrzehnte früher selbst zu den Verdrängern auf dem lokalen Biermarkt. Steigende Grundstückspreise, bessere Transportmöglichkeiten und größere Kapazitäten bei der Herstellung haben die Brauereibetriebe und damit die Stadtlandschaften verändert. Die Wanderbewegung der Brauereibetriebe zu dezentralen Standorten sind keine Erfindungen der letzten Jahrzehnte.

Umbrüche seit Jahrhunderten

Bereits weit vor der Gründerzeit gehörten Brauereien zu denjenigen Fabriken, die ihre Standorte im alten innerstädtischen Bereich aufgaben und mit modernen Produktionsanlagen die neuen Gewerbeflächen in den damaligen Vororten besiedelten. Dies erfolgte bereits damals in großem Maßstab: Riebeck in Reudnitz hatte um die vorvergangene Jahrhundertwende das größte Sudhaus der Welt zu bieten. Leipzigs Nummer zwei, C. W. Naumann, begann das Bierbrauen in der Kleinen Funkenburg, bevor er das Gelände in Plagwitz bezog. Die zu diesem Grundstück führende Straße wurde dann stilecht Braustraße genannt.

Beräumung Gelände
Die Rückfront des Sudhauses, viel Substanz bleibt nach der Beräumung nicht stehen

Mit den Eingemeindungen im Jahre 1903 gab man ihr mit Naumburger Straße einen Namen mit neuem lokalen Bezug. Auch die Braustraßen in Gohlis und Eutritzsch wurden umbenannt, einzig die Leipziger Braustraße in der Südvorstadt behielt ihren angestammten Namen.

Abriss Eiskeller
Ein Graffiti-Bier grüßt von der Wand des Eiskellers, das war es dann

Die Umbrüche betrafen nicht allein die Orte, an denen gebraut wurde, sondern auch die Technologie. Bereits zur so genannten Gründerzeit um 1880 verschwanden dutzendweise Brauereibetriebe, die mit ihren veralteten Produktionsanlagen den technischenen Anforderungen der Massenproduktion nicht mehr entsprachen. Die unmittelbaren Nachbarn in den Wohngebieten dürften ihr Ende kaum bedauert haben. Gewinner waren Brauereien industriellen Charakters, die nicht selten unter dem damals stolzen Namen Dampfbierbrauereien die Produktions- und Abfüllprozesse rationalisierten.

Radikale Veränderungen eingeschlossen

Die Konstanz der althergebrachten Zutaten Hopfen, Malz und Wasser täuscht über zahlreiche Veränderungen und Innovationen hinweg. Ergänzend zu Dampfkraft und Mechanik im Produktionsprozess brachten die ab dem späten 19. Jahrhundert eingesetzten Kältemaschinen eine weitgehende Unabhängigkeit von Außentemperaturen und Jahreszeiten. Auch der Trend zu Flaschenbier bewirkte drastische Veränderungen für Haushalte als auch Wirtshäuser.

Ruine Brauerei
Von der Sternburg-Brauerei in Lützschena zeugen Ruinen wie das alte Sudhauses

Die Liberalisierung des Biermarktes im 19. Jahrhundert ging auch im mitteldeutschen Raum mit einer zurückgehenden Zahl an Brauereien einher. Der Ausstoß der verbleibenden Betriebe hingegen vergrößerte sich. Eine ähnliche Entwicklung brachten die Umwälzungen im Zuge der untergehenden DDR. Oft ging die Modernisierung mit der Auslöschung der angestammten aber weniger rentabel wirtschaftenden Konkurrenz einher.

Beispiele für solche Nachwendeschicksale sind die Sternburg-Brauerei in Lützschena oder die Hallesche Brauerei Freyberg mit ihrer einstigen Stammmarke Meisterbräu aus der Saalestadt. Bei beiden verlief der Weg nach dem Aufkauf ähnlich: Von der Brauerei mit Traditionsmarken degradierte man den Betrieb zur Abfüllanlage – wenig später folgte die komplette Schließung mit der Produktionsverlagerung zum Stammhaus im Westen.

Ruine an der Saale
Erst repräsentativer Firmensitz, dann Fabrikruine: Brauerei Freyberg in Halle

Alles im Umbruch?

Seit Jahren liegt Craft-Beer aus Mini-Brauereien voll im Trend, ebenso lokale Brauereien mit Angeboten jenseits des Mainstreams, die das Bierangebot mit ihrer Vielfalt bereichern. Rein mengenmäßig auf die Produktion bezogen sind die Verhältnisse trotzdem klar zugunsten der großen Akteure geordnet. Doch das gut eine Prozent Marktanteil der kleinen Brauereien sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass mehr als die Hälfte der Brauereibetriebe in Deutschland sogenannte Mikrobrauereien sind, die jedoch im Jahr weniger als 1.000 Hektoliter herstellen.

Ehemalige Brauerei
Die Hallenser Brauerei Rauchfuß, seit 1993 ruht dort der Betrieb
Ruinen in Lützschena
In Lützschena sprießt die Natur auf dem verwaisten weitläufigen Gelände
Reste Fahrstuhl
Im funktionslos gewordenen Lagerhaus führt auch der Fahrstuhl ins Leere
Laderampe Lützschena
1989 braute man noch 500.000 Hektoliter Bier, 1991 endete das eigene Brauen
Lagerhalle Lützschena
Der Sommer 1992 brachte das endgültige Aus, seither stehen die Gebäude leer
Im Sudhaus
Im Inneren des 1928 errichteten Sudhauses fehlen die Kesselanlagen
Abrissareal
Bereits Geschichte waren die Gebäude zwischen Sudhaus und der Laderampe
Brandschaden Werkstatt
Ein Brand im Dezember 2013 vernichtete den Dachstuhl des Werkstattgebäudes
Sternburg-Bierdeckel
Der Bierdeckel präsentiert im Gelände ein Stück Firmengeschichte

  Nachtrag Februar 2024

Alt und Neu
Das umgebautee Sudhaus als Teil des Wohnquartiers Naumannsche Brauerei
Verhüllte Hausfassade
Ab Ende 2023 sollen die neuen Freygang-Mieter einen unverstellten Saaleblick genießen

Naumann und Freygang stehen exemplarisch für Braubetriebe, die sich mit der politischen Wende auf innerstädtischem Gebiet befanden und am neuen Markt kaum Chancen hatten. Die begehrten Firmengelände in attraktiver Lage gingen in Wohnparks mit einigen architektonischen Zitaten auf.

Blick durch Mauerloch
Das Sternburg-Gelände präsentiert sich 2024 in Erwartung der Zukunft gut gesichert

Für das Gelände der ehemaligen Sternburg-Brauerei in Lützschena-Stahmeln ist ähnliches vorgesehen. Doch das Projekt Wohnquartier Zur Alten Brauerei ist nach dem Wettbewerb 2019 über Änderungen und planungspolitische Querelen lange nicht hinaus gekommen. Der geänderte Bebauungsplan lag schließlich Anfang November 2023 zur Beschlussvorlage für den Leipziger Stadtrat vor.