WEGE & PFADE

Wüster Bau in Wüsteneutzsch

Mega-Schleuse als Lost Place

Neben dem Lindenauer Hafen gehört die Schleusentreppe in Wüsteneutzsch zu den größten Bauwerken, die mit dem unvollendeten Elster-Saale-Kanal errichtet wurden. Mit ihr sollten 22 Meter Höhenunterschied auf dem Weg zur Saale bewältigt werden.

Schleusenruine in Wüsteneutzsch
Unikat und haltbarer Zeitzeuge in Stahlbeton: Die Ruine der Schleusentreppe in Wüsteneutzsch

Das halbfertige Schleusenbauwerk scheint die perfekte Illustration des alten Ortsnamens Wüsteneutzsch abzugeben. Kriegsbedingt blieb hier das 1933 begonnene Kanalbau-Projekt unvollendet. Beide Endpunkte der damaligen Kanalstrecke lagen damit auf dem Trockenen. Während Speicher und Hafengelände in Leipzig auch ohne Wasseranschluss genutzt werden konnten, verblieb wenige hundert Meter vor der Saale nur eine Bauruine. Dass die Schleusentreppe überhaupt gebaut werden konnte, stand in der Planungsphase noch nicht fest, ursprünglich war die Errichtung eines Schiffshebewerkes geplant.

Schiffshebewerk Rothensee
Das Schiffshebewerk Magdeburg-Rothensee ist mit der Geschichte des Elster-Saale-Kanals verknüpft

Parallele Großprojekte

Dabei kommt die Verbindung zum nahezu zeitgleich entstandenen Schiffshebewerk in Magdeburg-Rothensee nicht von ungefähr. Die Anlage am Mittellandkanal war in ihren Abmessungen von 12 Metern Breite und 85 Metern Länge ebenfalls für die damals modernsten Schiffe der 1000-Tonnen-Klasse ausgelegt. Ein Schiffshebewerk hätte jedoch die Baukosten des geplanten Kanals mehr als verdoppelt, die Überwindung der Fallhöhe von zweimal elf Metern wäre zudem technisches Neuland gewesen. Bei dem zu erwartenden Schiffsaufkommen auf dem Elster-Saale-Kanal erschien eine Schleusentreppe als ausreichend.

Seitenansicht Schleusenkammer
Hier sollte zur rationellen Wassernutzung die obere der beiden Spar-Kammern der Oberschleuse entstehen
Überlauf Sparbecken
Allein für die obere der beiden Schleusen verbaute man rund 20.000 Kubikmeter Stahlbeton

Das Kanalbauprojekt stand nicht allein: Als Südflügel des Mittellandkanals sollte die Schiffsverbindung zwischen Leipzig und der Saale entstehen, zeitgleich zum letzten Abschnitt des Mittelland-Kanals am Wasserstraßenkreuz Magdeburg. Beide Großprojekte kamen kriegsbedingt im Februar 1943 zum Erliegen. Während das Wasserstraßenkreuz Magdeburg im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit im Jahr 2003 vollendet wurde, blieb am Leipziger Kanal und der Schleusentreppe in Wüsteneutzsch die Zeit stehen.

Überlauf Sparbecken
Blick nach oben durch die Betonkammer in den Überlauf des höher gelegenen Sparbeckens
Überlauf Unterhaupt
Auch die unfertigen Stahlbeton-Bauten der Oberschleuse bieten spannende Einblicke
Kammerwand
Großprojekt Schleusenruine, die Kammerwände weisen eine Höhe von 16,20 Meter auf
Oberhaupt der Schleuse
Das Oberhaupt der Oberschleuse, von hier aus wäre es zweimal 11 Meter nach unten gegangen
Kammer Oberschleuse
Blick in umgekehrter Richtung: Vom Unterhaupt der Oberschleuse in Richtung Leipzig

Aufgeschoben – aufgehoben

Eine Fortführung der unterbrochenen Arbeiten am Kanal sollte bald nach dem Endsieg erfolgen. Doch das zu 75 Prozent fertige Großprojekt war bereits durch die technische Entwicklung eingeholt. Leipzigs Industrie, in erster Linie von Maschinenbau und Leichtindustrie geprägt, war durch Eisenbahn und Straße ausreichend gut erschlossen, Investitionen erschienen an anderer Stelle sinnvoller. Auch aus heutiger Sicht erscheint eine Vollendung ökonomisch unsinnig. Das touristische Interesse an einer Wasserstraßen-Anbindung Leipzigs beschränkt sich auf einige wenige Sportbootfahrer. Ausflugslinien auf der Saale sind inzwischen ohnehin pleite oder bis zur Marginalität geschrumpft.

Blick auf Oberschleuse
Blick von oben auf die Schleusentreppe, bis zur Saale bei Kreypau bleibt ein Kilometer Luftlinie
Profiliertes Kanalbett
Knapp zwei Kilometer profilierte aber ungeflutete Kanalstrecke enden kurz vor Wüsteneutzsch
Widerlager Straßenbrücke
Von der letzten Straßenbrücke vor der Saale ließen Reparationsleistungen nur die Widerlager

Manches Trennende

Auch mit den Namen des unvollendeten Kanalprojektes manifestieren sich scheinbar nicht zu überwindende Probleme. Die den Leipzigern als Elster-Saale-Kanal und den Anhaltern in exakt umgekehrter Reihenfolge als Saale-Elster-Kanal vertraute Wasserstraße heißt offiziell Saale-Leipzig-Kanal. Die Umzeichnung erfolgte mit Wirkung vom 24.03.1999. Von beiden Bevölkerungsgruppen werden sowohl der neue Name als auch die alte Bezeichnung der jeweils anderen Gruppe abgelehnt oder bestenfalls strikt gemieden. Das Verzeichnis der sonstigen Binnenwasserstraßen des Bundes führt das mitteldeutsche Kanal-Fragment vergleichsweise neutral unter der laufenden Nummer 6901.

Verbotsschild Schleusenruine
Wer strompolizeilich noch nicht kannte, ist jetzt nicht unter Strom, aber immerhin im Bilde

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