WEGE & PFADE

Elbbrücke bleibt Fragment

Ein Lost Place Deutscher Geschichte

Was verbindet das mecklenburgische Dömitz mit Otto von Guericke und Carl Maria von Weber? Beide passierten die Zollstadt an der Elbe posthum auf Überführung in die Heimat. Dömitz bewahrt noch weitere interessante Bezüge zu Brüchen im Zeitgeschehen.

Brückenpfeiler Dömitz
Die kühne Brückenkonstruktion blieb als Fragment Symbol der deutschen Teilung

Die Bahnstrecke von Wittenberge über Dömitz nach Buchholz südlich von Hamburg galt den Planern als strategisch wichtige Verbindung. Entsprechend aufwändig gestalteten sich Vorbereitung und Bau. Markantestes Bauwerk der Strecke war die Elbbrücke in Dömitz. Wichtige Auflagen für den Bau kamen vom Militär: Die Elbbrücke bei Dömitz darf höchstens 2000 Schritt von der Zitadelle zu Dömitz entfernt sein und muß eine Drehbrücke, ähnlich wie bei der Brücke zu Hämerten enthalten. Außerdem sind zwei Strompfeiler mit Demolierungsminen zu versehen und die beiderseitigen Zugänge der Brücke durch tambourartige Abschlüsse mit Wachtblockhäusern zu sichern.

Ruine der Eisenbahnbrücke
Auf der Westseite der Elbe stehen die 16 Vorland-Brücken mit ihren rostigen Schwedler-Trägern

Die Brücke in Dömitz stellte man 1873 fertig, die Eröffnung der Gesamtstrecke Wittenberge - Buchholz folgte ein Jahr später. Doch bereits da war einiges nicht mehr stimmig. Von dieser südlichen Parallelstrecke zur Hauptbahn Berlin - Hamburg hatten sich die Planer zuviel versprochen. Geplant und trassiert war sie zweigleisig, ging aber nur eingleisig in Betrieb. Das verlegte zweite Gleis auf der Dömitzer Brücke demontierte man schließlich 1886 und verlegte das verbleibende in Brückenmitte. Für die von der Bevölkerung geforderte Errichtung einer separaten Fahrbahn für Fuhrwerke fehlten jedoch Geld und Interesse. Eine Dömitzer Straßenbrücke über die Elbe wurde erst im Jahr 1936 freigegeben.

Brücke über die Elbwiesen
Mit 986 Metern Länge gehörte die Dömitzer Brücke zu den längsten Strombrücken Deutschlands

Fortbestand als Ruine

Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges sollten den Status der Dömitzer Eisenbahnbrücke für Jahrzehnte festschreiben. Am 20. April 1945 bombardierten amerikanische Flieger das Bauwerk, um einen kontrollierten Rückzug der deutschen Wehrmacht zu verhindern. Der Teil mit der Drehbrücke über der Elbe wurde dabei zerstört. Anteil an der verheerenden Wirkung der Bomben dürften auch die zuvor durch die Wehrmacht angebrachten Sprengladungen gehabt haben.

Brücke Richtung Osten
Nach deutsch-deutschen Demontagearbeiten verblieb ein Brückentorso von 542 Metern Länge

Die deutsche Teilung nach 1945 machte Dömitz zur Grenzstadt und brachte einen Umbruch der Verkehrsströme und der Infrastruktur. Sogenanntes Zonenrandgebiet auf der einen und Hochsicherheitsbereiche auf der anderen Seite bestimmten das Bild. Beide waren keine guten Voraussetzungen für die Entwicklung der jeweiligen Regionen. Mit den neu entstandenen Besatzungszonen endete auch eine Besonderheit der örtlichen Grenzziehung. Ursprünglich standen sowohl die komplette Brücke als auch das nahe Dorf Kaltenhof auf Mecklenburger Gebiet. Landes- und Staatsgrenze endeten nun an der Elbe, wenngleich der genaue Grenzverlauf am Fluss noch Jahrzehnte für Unstimmigkeiten zwischen Ost und West sorgte. Für die Eisenbahnverbindung Wittenberge - Hamburg brachte die Nachkriegszeit das Ende. Die Strecke Dömitz - Wittenberge endete im Jahr 1947 als Reparationsleistung für die Sowjetunion.

Westlicher Brückenkopf
Bei der Sanierung verbaute man eigens gefertigte Ziegel aus dem brandenburgischen Glindow

Geteilt und verbunden

Auf der westlichen Seite verblieb ein Restbetrieb zwischen Lüneburg und Dannenberg, weiter östlich nutzte man das Gleis zum Sammeln von Schadwagen. Die Deutsche Bundesbahn ließ 1978 die Strompfeiler und die drei verbliebenen Stromüberbauten entfernen. Auch auf der anderen Flussseite war man aktiv: Die Reste der Drehbrücke, die östlichen vier Flutöffnungen sowie der östliche Brückenkopf wurden im Jahr 1987 im Zuge von Grenzsicherungsmaßnahmen entfernt.

Warnschild am Bauzaun
Noch stehen umfangreiche Maßnahmen an der eigentlichen Brückenkonstruktion aus

Auf DDR-Seite verblieb noch der Streckenast nach Ludwigslust, Dömitz und das nahe Malliß waren als Industriestandorte von Bedeutung. Mit der Wende brach schließlich die Nachfrage im Güter- wie Personenverkehr ein. Der Brückenrest verblieb als Symbol der deutschen Teilung.

Kilometerstein in Dömitz
Der Kilometerstein verrät im Bahnhof Dömitz die Länge der einstigen Eisenbahnanbindung

Der Wegfall der innerdeutschen Grenze brachte der lückenhaften Bahnverbindung zwischen Wittenberge und Buchholz keine neuen Aufgaben. Mit dem Ausbau der Bundesstraße 191 schaffte man Tatsachen. Am 18. Dezember 1992 wurde die neue Straßenbrücke eingeweiht, auf den Tag genau 119 Jahre nach der Dömitzer Eisenbahnbrücke. An der Wiederaufnahme eines Bahnverkehrs in der dünn besiedelten Region bestand kein Interesse.

Nach Grenzöffnung im Abseits

Der ohnehin schwach ausgelastete Bahnverkehr von Dömitz nach Ludwigslust war nach der politischen Wende in der DDR weiter rückläufig. Am 27. Mai 2000 stellte die Deutsche Bahn den Reiseverkehr ein, die komplette Stilllegung folgte ein knappes Jahr später. Den Abbau führte eine thüringer Verwertungsfirma zwischen 2006 und 2007 aus. Im Gegensatz zur Elbebrücke und dem erfolgreich zum Hotel umfunktionierten Speichergebäude am Hafen blieb ein Happy End für die imposante Dömitzer Bahnhofsanlage aus. Am 11. August 2011 zerstörte ein Feuer das Empfangsgebäude. Im Jahr 2022 endete ein langes Hin und Her, die Stadt erlangte die Aufhebung des Denkmalschutzes und die Abrissgenehmigung.

Bahnhofsgebäude Dömitz
Das imposante Empangsgebäude verblieb nach einem Brand im Jahre 2011 als hohler Zahn

Losgelöst von allen Verbindungen verblieb die Eisenbahnbrücke als Fragment aus besseren wie schlechteren Zeiten. Am 10. April 2010 versteigerte die Deutsche Bahn die Brücke nebst 71.000 Quadratmetern Grundstück. Den Zuschlag erhielt bei 305.000 Euro der niederländische Großindustrielle Dr. Toni Bienemann aus Arnheim. Das Mindestgebot lag bei 19.800 Euro, gekostet hatte die Brücke einst 3,6 Millionen Reichsmark. Interessante Bezüge gibt es mit dieser Verbindung nach Arnheim genug. Damit scheint auch die weitere Erhaltung als Brückenbauwerk gesichert. Erste Sanierungsarbeiten am verbliebenen westlichen Brückenkopf konnten im Jahr 2018 abgeschlossen werden. Der geplante Weg über die Brücke zu einem Aussichtspunkt steht aus. Das Nutzungskonzept ist Anfang 2023 in Vorbereitung.

Bahnhof unter Rasenteppich
Im beräumten Gleisfeld kann man den Standort des ehemaligen Wasserkrans erahnen
Zerstörte Gaststättenräume
Stillstand - Leerstand - Vandalismus: Die Bahnhofs-Gaststätte im zerstörten Empfangsgebäude
Zugewachsene Ladestraße
In der Natur liegen Ladestraße und Güterschuppen, hier soll eine Wohnsiedlung entstehen
Güterschuppen und Signal
Aus dem nahen Malliß kamen Salze, Kohle und Ziegel, heute ist der Bahnhofsrest ein Naturidyll
Reste Bahnübergang
Von der Ludwigsluster Strecke ist nicht mehr viel zu sehen, hier ein Bahnübergang bei Techentin
Gleisrest in Ludwigslust
Einige hundert Meter nach dem Bahnhof Ludwigslust endet die Strecke nach Dömitz im Unkraut

Die Aufnahmen entstanden im Herbst 2017.


     WEGE & PFADE auf ZeitBrüche


Verwandte Themen:

Brachfläche am Bahnhof

Ein Lost Place der Verkehrswende