WEGE & PFADE 14 | 4:45 Min
Elbbrücke Dömitz als Symbol und Ruine
Ein innerdeutscher Lost Place
Was verbindet das mecklenburgische Dömitz mit Otto von Guericke und Carl Maria von Weber? Beide passierten die Zollstadt an der Elbe posthum auf Überführung in die Heimat. Dömitz bewahrt noch weitere interessante Bezüge zu Brüchen im Zeitgeschehen.
Die Bahnstrecke von Wittenberge über Dömitz nach Buchholz südlich von Hamburg galt den Planern als strategisch wichtige Verbindung. Entsprechend aufwändig gestalteten sich Vorbereitung und Bau. Markantestes Bauwerk der Strecke war die Elbbrücke in Dömitz. Wichtige Auflagen für den Bau kamen vom Militär: Die Elbbrücke bei Dömitz darf höchstens 2000 Schritt von der Zitadelle zu Dömitz entfernt sein und muß eine Drehbrücke, ähnlich wie bei der Brücke zu Hämerten enthalten. Außerdem sind zwei Strompfeiler mit Demolierungsminen zu versehen und die beiderseitigen Zugänge der Brücke durch tambourartige Abschlüsse mit Wachtblockhäusern zu sichern.
Die Brücke in Dömitz stellte man 1873 fertig, die Eröffnung der Gesamtstrecke Wittenberge - Buchholz folgte ein Jahr später. Doch bereits da war einiges nicht mehr stimmig. Von dieser südlichen Parallelstrecke zur Hauptbahn Berlin - Hamburg hatten sich die Planer zuviel versprochen. Geplant und trassiert war sie zweigleisig, ging aber nur eingleisig in Betrieb. Das verlegte zweite Gleis auf der Dömitzer Brücke demontierte man schließlich 1886 und verlegte das verbleibende in Brückenmitte. Für die von der Bevölkerung geforderte Errichtung einer separaten Fahrbahn für Fuhrwerke fehlten jedoch Geld und Interesse. Eine Dömitzer Straßenbrücke über die Elbe wurde erst im Jahr 1936 freigegeben.
Fortbestand als Ruine
Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges sollten den Status der Dömitzer Eisenbahnbrücke für Jahrzehnte festschreiben. Am 20. April 1945 bombardierten amerikanische Flieger das Bauwerk, um einen kontrollierten Rückzug von Einheiten der deutschen Wehrmacht zu verhindern. Der drehbare Brückenteil über der Elbe wurde dabei komplett zerstört. Einen großen Anteil an der verheerenden Wirkung des Luftangriffs dürften auch die zuvor durch die Wehrmacht angebrachten Sprengladungen gehabt haben.
Die deutsche Teilung machte Dömitz zur Grenzstadt und brachte einen Umbruch der Verkehrsströme und der Infrastruktur. Sogenanntes Zonenrandgebiet auf der einen und Hochsicherheitsbereiche auf der anderen Seite bestimmten fortan die Situation. Mit den neu entstandenen Besatzungszonen endete auch eine Besonderheit der örtlichen Grenzziehung. Ursprünglich standen sowohl die komplette Brücke als auch das nahe Dorf Kaltenhof auf Mecklenburger Gebiet. Landes- und Staatsgrenze endeten nun an der Elbe, wenngleich der genaue Grenzverlauf am Fluss noch Jahrzehnte für Unstimmigkeiten zwischen Ost und West sorgte. Für die Eisenbahnverbindung Wittenberge - Hamburg brachte die Nachkriegszeit das Ende. Die Strecke Dömitz - Wittenberge endete im Jahr 1947 als Reparationsleistung für die Sowjetunion.
Geteilt und verbunden
Auf der westlichen Seite verblieb ein Restbetrieb zwischen Lüneburg und Dannenberg, ab dort nutzte man das Gleis zur Brücke zum Sammeln von Schadwagen. Die Deutsche Bundesbahn ließ 1978 die Strompfeiler und die drei verbliebenen Stromüberbauten entfernen. Auch auf der anderen Flussseite fanden Sicherungsarbeiten statt: Die Reste der Drehbrücke, die östlichen vier Flutöffnungen sowie der östliche Brückenkopf wurden im Jahr 1987 im Zuge von Grenzsicherungsmaßnahmen entfernt.
Auf DDR-Seite war trotz Grenznähe mehr Betrieb auf der unterbrochenen Verbindung. Der Streckenast nach Ludwigslust sorgte dafür, dass Dömitz und das nahe Malliß als wichtige Industriestandorte angebunden blieben. Mit der Wende kam das flächendeckende Aus für die regionale Wirtschaft. So brach dann auch die Nachfrage im Güter- und Personenverkehr ein. Der Brückenrest verblieb als Symbol der deutschen Teilung.
Der Wegfall der innerdeutschen Grenze sollte der lückenhaften Bahnverbindung zwischen Wittenberge und Buchholz keine neuen Aufgaben bringen. Mit dem Ausbau der Bundesstraße 191 schaffte man Tatsachen. Am 18. Dezember 1992 wurde die neue Straßenbrücke eingeweiht, auf den Tag genau 119 Jahre nach der Einweihung der alten Dömitzer Eisenbahnbrücke. An der Wiederaufnahme eines Bahnverkehrs in der dünn besiedelten Region bestand kein Interesse, einen Sinn zur Entlastung der Relation Berlin - Hamburg sah man nicht.
Nach Grenzöffnung im Abseits
Losgelöst von allen Verbindungen verblieb die Eisenbahnbrücke als Fragment aus besseren wie schlechteren Zeiten. Am 10. April 2010 versteigerte die Deutsche Bahn die Brücke nebst 71.000 Quadratmetern Grundstück. Den Zuschlag erhielt bei 305.000 Euro der niederländische Großindustrielle Dr. Toni Bienemann aus Arnheim. Das Mindestgebot lag bei 19.800 Euro, gekostet hatte die Brücke einst 3,6 Millionen Reichsmark. Interessante Bezüge gibt es mit dieser Verbindung nach Arnheim genug. Damit scheint auch die weitere Erhaltung als Brückenbauwerk gesichert. Erste Sanierungsarbeiten am verbliebenen westlichen Brückenkopf konnten im Jahr 2018 abgeschlossen werden. Der geplante Weg über die Brücke zu einem Aussichtspunkt und sein Nutzungskonzept waren in Arbeit.
Die Eisenbahn hat ausgedient
Der ohnehin nur noch schwach ausgelastete Bahnverkehr von Dömitz nach Ludwigslust war nach der politischen Wende in der DDR weiter rückläufig. Am 27. Mai 2000 stellte die Deutsche Bahn den Reiseverkehr ein, die komplette Stilllegung folgte ein knappes Jahr später. Den Abbau führte eine thüringer Verwertungsfirma zwischen 2006 und 2007 aus. Im Gegensatz zur Elbebrücke und dem erfolgreich zum Hotel umfunktionierten Speichergebäude am Hafen blieb ein Happy End für die imposante Dömitzer Bahnhofsanlage aus. Am 11. August 2011 zerstörte ein Feuer das Empfangsgebäude. Im Jahr 2022 endete ein langes Hin und Her, die Stadt erlangte die Aufhebung des Denkmalschutzes und die Abrissgenehmigung.
Die Aufnahmen entstanden im Herbst 2017.
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