WEGE & PFADE 19 | 4:25 Min
Irgendwo im Nirgendwo
Die Reste der Bahnstrecke Leipzig-Plagwitz - Pörsten
Mittlerweile ist die Strecke seit fast drei Jahrzehnten Geschichte. Spektakuläres hatte sie nicht zu bieten. Was übrigblieb, ist mittlerweile im Vorgartenidyll verschiedener Anrainer verschwunden. Und doch ist sie Zeuge für die wirtschaftlichen Entwicklungen der Region.
![Segment des insgesamt 150 Meter langen Rippachtalviaduktes Viadukt von unten](img/archiv/lpp-rippachtal-unten.jpg)
Die Fakten sind schnell erzählt: 23,6 Kilometer Länge, zuletzt fünf Bahnhöfe und sechs Haltepunkte, 6,80 Höhenunterschied. Am Endpunkt Pörsten mündete sie in die Bahnlinie Großkorbetha - Deuben, die nahezu zeitgleich 1898 eröffnet wurde. Sie erschloss zwar nur das Hinterland, doch brachte sie nichts geringeres als ein neues Zeitalter. Die Eisenbahn ließ den Raum zusammenrücken wie noch nie zuvor. Städte lösten sich aus ihren Landkreisen, Industrien wuchsen aus dem scheinbaren Nichts, Landkarten mussten neu geordnet werden.
![Der Abzweig Pörsten am Bw Leipzig-Plagwitz, dem heutigen Eisenbahnmuseum Bahnhofsgleise Plagwitz](img/archiv/lpp-plagwitz.jpg)
![Der zum Sommerfahrplan 1977 aufgelassene Haltepunkt Leipzig-Südwest Alter Hektometerstein](img/archiv/lpp-hektometer37.jpg)
![Der ehemalige Überweg Neubauernstraße mit der Trasse zur Wärmeversorgung Heiztrasse über Straße](img/archiv/lpp-neubauernstrasse.jpg)
![Das ehemalige Empfangsgebäude des Bahnhofs Lausen Empfangsgebäude Lausen](img/archiv/lpp-lausen.jpg)
Zwischen Braunkohle und Naherholung
Kennzeichen der Region war ihr fruchtbarer Boden, aber auch die Bodenschätze darunter prägten die Landschaft. Die enge Verbindung von Kulkwitz und der Braunkohle liegt in der Gründung der Tiefbaugesellschaft Grube Mansfeld bei Albersdorf, 1864 erster Großbetrieb seiner Art in der Region. Die später vor Ort gegründeten Landkraftwerke erwiesen sich als erfolgreiches Geschäftsmodell, was Mitte der 1930er Jahre in den Neubau eines Braunkohlenwerks und in den Aufschluss des Tagebaus Kulkwitz mündete. Förderbeginn war 1937, der Abbau endete als Tagebau Miltitz durch Auskohlung im Jahr 1963. Die Brikettfabrik schloss 1967, das Kraftwerk lief ab 1972 als Heizkraftwerk für die Neubausiedlung Grünau. Das endgültige Aus kam schließlich zur Jahrtausendwende. Übrig blieb der Kulkwitzer See im gefluteten Restloch. Er ist bereits seit Mai 1973 beliebtes Naherholungsgebiet.
![Stellwerk B1 am ehemaligen Bahnhof Göhrenz-Albersdorf bei Markranstädt Stellwerk in Vegetation](img/archiv/lpp-stellwerk-goehrenz.jpg)
![Der Kraftwerksschornstein neben der erhaltenen Bunkeranlage Kraftwerksschornstein und Kohlebunkere](img/archiv/lpp-kraftwerk-kulkwitz.jpg)
![Blick durch die leerstehende Bunkeranlage des Heizkraftwerkes Im Kohlebunker](img/archiv/lpp-kraftwerk-kulkwitz-bunker.jpg)
Der Kraftwerksanschluss Kulkwitz war wichtigster Güterkunde der Strecke. Nach der Auskohlung des Tagebaues hielten Kohlelieferungen aus Profen den Betrieb am Laufen. Entsprechend war der Streckenabschnitt, der an der Südseite des Tagebaues neu trassiert wurde, für hohe Achslasten ausgebaut. Der Ort Kulkwitz liegt knapp zwei Kilometer entfernt. Als Firmensitz war er Namenspate des Tagebaues und heutigen Sees. Ähnliche Unstimmigkeiten bezüglich der Ortsnamen bestehen auch an beiden Endpunkten der Strecke: Rippach-Poserna aka Pörsten oder Leipzig-Plagwitz auf Flurstücken in Neulindenau und Kleinzschocher. Das sollte nicht weiter irritieren.
![Der Haltepunkt in Seebenisch von der Gleisseite in Richtung Westen Grünanlage am Radweg](img/archiv/lpp-seebenisch.jpg)
![Ehemaliger Bahnübergang im Zuge der Starsiedeler Straße Alte Pflasterstraße](img/archiv/lpp-luetzen-ueberweg.jpg)
![Reste der Sicherungsanlagen an der Überquerung der B87 Ehemalige Bahntrasse](img/archiv/lpp-luetzen-anschluss.jpg)
![Lützener Schlossturm, Wegweiser und Hektometerstein Radweg auf Bahntrasse](img/archiv/lpp-roecken-hektometerstein.jpg)
Zur Grube Glück Auf! in Grubnitz gehörte auch die Verladeanlage am einstigen Bahnhof in Röcken. Früheste Zeugnisse der Kohleförderung in der Region gehen bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Der Abbau erfolgte zuerst oberflächennah in Bauerngärten. Wenig später etablierte sich Kohle als Brennstoff für Salinen oder bei der Zuckerherstellung. Die Grube wurde 1920 als Tagebau aufgefahren, den man wegen Wasserproblemen aber bereits 1929 auflassen musste. Wahrscheinlich hat man in Röcken mehr Sande und Kiese aus dem abgebauten Deckgebirge verladen als geförderte Kohle.
![Die Verladeanlage befand sich am 1929 zum Haltepunkt zurückgebauten Bahnhof Röcken Ehemalige Verladeanlage](img/archiv/lpp-roecken-anlage.jpg)
![Die Verladeanlage gehörte zur Braunkohlengrube 'Glück Auf' in Grubnitz Ruine Verladeanlage](img/archiv/lpp-roecken-innen.jpg)
![Bei Km 22,42 kreuzt der Wirtschaftsweg nach Kleingöhren das Gleis neben der B87 Schotterbett neben Straße](img/archiv/lpp-rippach-weg.jpg)
Ingenieurskunst kurz vor Streckenende
Die 600-Seelen-Gemeinde Rippach steht mit dem Gasthof Zum Weißen Schwan in Goethes Faust und beherbergte auch schon Napoleon. Den Gasthof gibt es längst nicht mehr (er hat aber nur zu), ein kleiner Lebensmittelladen nebenan gehört zu den letzten öffentlichen Räumen des Ortes. Sehenswert ist heute noch das Rippachtalviadukt, das auf 150 Metern Länge kurz vor dem Zielbahnhof Tallage und Flusslauf überwindet. Es bleibt auch ohne Funktion als wichtiger Zeitzeuge. Das Alleinstellungsmerkmal des Viadukts währte nicht lang. Bereits im Jahr 1935 bekam das markante Bauwerk ein Gegenstück: Die neue Reichsautobahn 9 überspannt seither das Tal der Rippach auf einem etwas längeren Viadukt.
![In der Gegend um Saale und Rippach sind bereits einige Höhenmeter zu absolvieren Viadukt über Straße](img/archiv/lpp-rippach-viaduktstrasse.jpg)
![Gleisrest auf dem 150 Meter langen Rippacher Viadukt Gleis auf Viadukt](img/archiv/lpp-rippach-viaduktgleis.jpg)
Umnutzung als Radweg hieß die Phrase im Raum, Rad-Acht oder Elster-Saale-Radweg nannte man die Schlagwörter, die die Fördermittel-Lyrik bedienten. Herausgekommen ist das übliche Stückwerk, wovon die meisten Teilnehmer am Sonntagsverkehr nichts merken werden. Seit 2010 kann man über 13 Kilometer auf der ehemaligen Bahntrasse zwischen Göhrenz und Lützen radeln, wer weiter will, braucht Kondition und Orientierung. Nach jahrelangem Widerwillen hat die Stadt Leipzig die Leipziger Flächen der Trasse 2019 erworben. Im Jahre 2021 deklarierte man sie zum Umsiedlungsziel für Zauneidechsen vom Sellerhäuser Viadukt. Zwar schafft die grüne Schildbürgerei damit keine durchgehende Radverbindung, aber wenigstens einen Bahnbezug.
![Wasserturm und Empfangsgebäude stehen heute im Wildwuchs - immerhin! Wasserturm im Wildwuchs](img/archiv/lpp-poersten-wasserturm.jpg)
![Durchfahrtsgleis zum Werkbahnhof Wählen des Tagebaus Profen Gleis am Bahnhof](img/archiv/lpp-poersten-gleis.jpg)
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