WEGE & PFADE

Spuren vom Auenschreck

Eine Nebenbahn am Rande

Die Region zwischen Leipzig und Halle gilt als Metropol-Region mit gut entwickelter Infrastruktur. In Vergessenheit geraten sind Verkehrsprojekte wie der Elster-Saale-Kanal oder die Auenschreck genannte Bahnstrecke zwischen Leuna und Leipzig-Leutzsch.

Rückbau der Gleisanlagen an Bahnübergang
Mit der Beseitigung der Bahnübergänge begann 2010 der Rückbau der Gleisanlagen

Bereits vor dem Streckenbau gab es viel Hin und Her, was auf eine nicht unbedingt einfache Ausgangslage schließen lässt. Erste Ambitionen zum Bahnbau zwischen Leipzig und Merseburg reichen bis 1896 zurück. Doch erst im Jahr 1915 starteten die Bauarbeiten auf dem Teilstück zwischen Merseburg und Zöschen an der preußisch-sächsischen Grenze. Durch den Einsatz von Kriegsgefangenen konnten die Trassierungsarbeiten im selben Jahr beendet werden. Der Verkehr auf dem Teilstück wurde erst 1920 aufgenommen, der Weiterbau ruhte.

Hauptaugenmerk für den Bau der Trasse war der Abtransport von Kohle aus dem Geiseltal in die Industriereviere um Leipzig. Doch mancherlei Fakten und Befindlichkeiten ließen den Bau ins Stocken geraten. Nahezu zeitgleich entstand mit dem 1915 fertiggestellten Leipziger Hauptbahnhof ein länderübergreifendes Prestigeobjekt von Bahn und Post, bei dem seitens des Reiches und der Eisenbahnverwaltungen in Größenordnungen Gelder flossen. Ab Mitte der 1920er Jahre begann zudem der Aufschluss der Braunkohlevorkommen südlich von Leipzig in neuen, großflächigen Tagebauen. Damit dürfte das Thema des Kohletransportes aus Richtung Geiseltal vom Tisch gewesen sein. Knapp zehn Jahre nach der ersten Teileröffnung wuchs mit dem Ausbau des Industriereviers um Leuna und Buna erneut das Interesse an einer Fertigstellung des angefangenen Bahnprojektes. Am 1. Juli 1931 startete schließlich der reguläre durchgehende Betrieb. Die Bauarbeiten zogen sich damit über 35 Jahre hin.

Saalebrücke mit Eisenbahnschienen bei Leuna
Der Brückenbau der Strecke über die Saale kann auch von Fußgängern genutzt werden

Früh im Abseits

Die entstandene Bahnlinie verlief konsequent am Rand entlang, unterwegs war kaum nennenswertes anzubinden. Merseburg umrundete die Bahn mit einer ausladenden Südkurve über das nördliche Leuna und verband Wallendorf, Zöschen, Kötschlitz - allesamt beschauliche Dörfer in der ländlich geprägten Aue entlang der Alten Luppe. Das Hauptziel der Strecke, die Leuna-Werke, befand sich in deutlicher Entfernung vom neu entstandenen Bahnhof Leuna. Auch der einstige Bahnhof und spätere Haltepunkt Dölzig lag nicht etwa in der Ortsmitte, sondern streifte die Siedlung in gut einem Kilometer Abstand. Ähnlich die Situation in Burghausen, mit äußerster Randlage zur Industriegemeinde Böhlitz-Ehrenberg. In Leipzig endete die Strecke nach großzügiger Umfahrung von Böhlitz-Ehrenberg in einem Stumpfgleis am Bahnsteig 1a in Leipzig-Leutzsch, rund sieben Kilometer vor dem Leipziger Hauptbahnhof. Die Umstiegsverbindungen waren über Jahrzehnte unbefriedigend.

Sonnenuntergang über der Abzweigstelle
Noch in Betrieb ist der Streckenast Richtung Ammendorf, nach Leipzig ist lange Schluss

So nimmt es nicht Wunder, dass bereits zu DDR-Zeiten das Verkehrsaufkommen auf der gut 27 Kilometer langen Strecke bescheiden blieb. Sieben Zugpaare von Montag bis Freitag und vier am Wochenende nutzte bald nur eine Handvoll Reisender. Die wichtigere Rolle im Personenverkehr nahm bereits früh die Überland-Buslinie S-31 ein. Wenig ehrfürchtig war denn auch der Name Auenschreck, den die Bahn bei der lokalen Bevölkerung hatte. Unmittelbar nach der Wende fristete die Bahnlinie nur noch ein Schattendasein. Nichtsdestotrotz sanierte man den OIberbau der kompletten Trasse bis 1994. Am 24. Mai 1998 endete der Betrieb im Freistaat Sachsen. Auf dem Teilstück zwischen Merseburg und der Deponie Lochau sowie bei einzelnen Anliegern nahe Ammendorf verblieben bis heute noch einige Güterzugleistungen.

Verkehr auf der Autobahn A9
Am Kilometer 18,03 überquert die frequentierte A9 die ehemalige Bahnlinie
Unter der Autobahnbrücke
Gut 80.000 Fahrzeuge passieren täglich die Autobahnbrücke, darunter herrscht Ruhe
Streckenführung an der Landesgrenze
Dichter Bewuchs entlang der Landesgrenze zwischen Sachsen und Sachsen Anhalt

Während der unvollendete Kanal seine Liebhaber hat und manche Akteure ihn gern als Tourismusfaktor fertigbauen würden, ist es um den Auenschreck still geworden. Von ihm sind kaum mehr als ein paar Eindrücke in der Landschaft geblieben. Mit einem Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes vom 18.09.2012 wurde die Strecke von Leipzig-Leutzsch bis zum Abzweig Leuna Lw nahe Friedensdorf von so genannten Bahnbetriebszwecken freigestellt. Mittlerweile sind die Schienen demontiert. Der Streckenabschnitt zwischen Friedensdorf und Böhlitz-Ehrenberg wurde 2012 an eine Entwicklungsgesellschaft übertragen, die auf der Trasse einen Radweg errichten will. Bis zum Jahr 2022 hat man davon nichts gesehen. Ein geplanter S-Bahn-Anschluss Merseburgs nach Leipzig soll über eine neue Verbindungskurve bei Bad Dürrenberg erfolgen. Dieses Projekt in Richtung Zukunft empfiehlt auch die so genannte Kohlekommission.

Bahntrasse am Kiestagebau Kleinliebenau
Am Kiestagebau Kleinliebenau verlief die Strecke wenige Meter vom Wasser entfernt
Reste einer Halbschrankenanlage
Am Bahnübergang der B 186 in Dölzig stehen Reste einer Halbschrankenanlage
Zugewachsener Zschampert-Durchlass
Kaum auszumachen ist der Durchlass des Flüsschens Zschampert nahe Burghausen
Schnurgerader Streckenverlauf
Zwischen Burghausen und Dölzig verläuft die Strecke als schnurgerader Strich
Wachsende Natur am sanierten Gleis
Misswirtschaft DB: Die Strecke wurde vier Jahre vor Stilllegung komplett saniert
Hektometerstein 22,9 in Burghausen
Der Hektometerstein 22,9 wehrt sich am ehemaligen Bahnübergang gegen seinen Untergang
Ehemaliger Bahnübergang in Burghausen
In Burghausen künden nur noch Überreste von den vergangenen Zeiten des Auenschrecks
Baustelle Bahnhof Leipzig Leutzsch
In Leipzig Leutzsch endete die Strecke, auch der Bahnhof ging außer Betrieb

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