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ЗАПАЙКА – Unsichtbarer Aerodrom

Vom Fliegerhorst zur Geisterstadt im Eichenwald

Auf die Abgeschiedenheit des Standortes Waldpolenz wurde großer Wert gelegt. Am Anfang waren es geheime Rüstungsprojekte der Luftwaffe. Heute ist der Fliegerhorst eine Geisterstadt, die nach dem Willen mancher Lokalpolitiker besser längst verschwunden wäre.

Gebäude des Towers
Der ehemalige Befehlsstand ist nur noch ein wesenloses Skelett im Wildwuchs des verlassenen Aerodrom-Geländes

Die Anfänge des Militärstandortes Waldpolenz – eine 500-Seelen-Gemeinde im heutigen Muldentalkreis – reichen bis in die Jahre 1934/35 zurück. Das flache und dünn besiedelte Land zwischen den Orten Brandis, Zeititz, Leulitz und Polenz lag in mehrerer Hinsicht günstig. Nicht weit entfernt produzierten die Mitteldeutschen Motorenwerke, für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke wurde der Fliegerhorst zum Erprobungsgelände. Mit dem Luftpark Delitzsch, dem der Platz zeitweise zugeordnet war, bestand eine weitere Schnittstelle zu Rüstungsindustrie und Instandhaltung.

Strahltriebwerke, Raketenantriebe, Nurflügler-Konstruktionen: Was heute unter Hightech verortet wird, stand damals im Entwicklungs- und Probebetrieb. In Waldpolenz erfolgte die Erprobung neuer Strahltriebwerke, der Bomber Ju 287 mit den nach vorn gepfeilten Tragflächen absolvierte Testflüge. Auch die kreisförmigen Nurflügler des Tüftlers Arthur Sack aus dem nahen Machern befanden sich auf dem Fliegerhorst und unternahmen Startversuche. Neben verschiedenen Jagd- und Kampfgeschwadern war ab Sommer 1944 das Me-163-Jagdgeschwader 400 in Waldpolenz stationiert. Auf dem Gelände entstanden zeitgleich Hallen als Unterstand und zur Tragflächenmontage des Raketenjägers. Andere Planungen, wie der Bau einer zweiten Start- und Landebahn, konnten nicht realisiert werden.

Kasernenruinen am Waldweg
Ein Wirtschaftsweg ist mittlerweile zur Adlerallee geworden, die Zukunft der Gebäude gibt jedoch kaum Anlass für Höhenflüge
Ruine Luftwaffen-Kaserne
Die bauliche Ausstattung des Fliegerhorstes erfolgte mit genormten Kasernenbauten
Blick aus Kasernengebäude
Die Kasernenbauten der Deutschen Luftwaffe nahmen ab den 1970er Jahren nur noch einen kleinen Teil der Anlage ein

Am 16. April 1945 nahmen Einheiten der US-Armee den Fliegerhorst ein. In der kurzen Zwischenzeit der amerikanischen Verwaltung nutzte man das weitläufige Gelände als Repatriierungslager für befreite alliierte Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Die Militärverwaltung wechselte am 2. Juli 1945, den Standort Waldpolenz übernahm die Rote Armee. Stationiert wurde zunächst eine Panzereinheit der 1. Garde-Panzerarmee.

Güterschuppen Anschlussbahn
Der Flugplatz Waldpolenz verfügte über einen eigenen Gleisanschluss zur Bahnstrecke Beucha - Trebsen
Eingang Bunkeranlage
Ein Bunkerbau der Energieversorgung hat die Abriss- und Rückbauaktionen erfolgreich überstanden
Kraftfahrzeug-Werkstatt
Auch bodengebundene Fahrzeuge konnten in einer eigenen Werkstatt gewartet und repariert werden
Ruine Garagenanlage
Ehemalige Garagen und teilweise zerstörte Unterstände stehen im zentralen Teil der Anlage
Leerstehender Plattenbau
Fünf der Plattenbau-Blöcke sind nach der gestoppten Abrissaktion von 2014 noch im Gelände vorhanden

ЗАПАЙКА – Аэродром Брандис

Was das deutsches Sprengkommando im Mai 1945 nicht schaffen konnte, sollte entsprechend alliierter Abkommen geschliffen werden. Doch Kalter Krieg und Pragmatismus ließen es anders kommen. Die amerikanischen Atombomben-Doktrinen und der heraufziehende Korea-Krieg sorgten für den Weiterbestand des Fliegerstandortes Waldpolenz. Im Zeichen des geflügelten Propellers der sowjetischen Luftwaffe war bereits ab Oktober 1948 eine Nachtjäger-Schwadron stationiert, Waldpolenz wurde zum Schulungs-, Test- und Ausweichflugplatz für strahlgetriebene Jagdflugzeuge.

Im August 1951 sorgte eine Bruchlandung im nahen Trebsen für heftigen Wirbel. Der Staub auf dem Feld des Muldestädtchens hatte sich bald gelegt. Doch die Welle der Aufmerksamkeit um das Fluggerät MIG-15 – in Zeiten des Kalten Krieges von Brisanz – aktivierte Informanten-Netzwerke und schwappte bis über den großen Teich. Über den Aerodrom Brandis drang ansonsten über Jahrzehnte nur wenig an die Öffentlichkeit. Im Jahr 1970 kürzte man in diesem Sinne auch den Turm der alten Waldpolenzer Dorfkirche. Die Anwohner lebten im Wochen- und Stundentakt mit dem Lärm von Kampfjets und Hubschrauber-Formationen. Mehr wusste man nicht.

Passend dazu das Rufzeichen des Flugplatzes: ЗАПАЙКА - Irgendetwas. In den 1960er und 1970er Jahren baute man technische Anlagen und Infrastruktur kontinuierlich aus. Der Standort mit 5.000 Soldaten und Angehörigen erreichte die Größe einer Kleinstadt. Im armeeüblichen Rotationsprinzip waren Schlachtflieger- und Kampfhubschrauber-Einheiten stationiert. Als am 30. Juli 1992 die nunmehr russischen Streitkräfte vom Aerodrom Brandis abzogen, endete nach 47 Jahren die längste Etappe des Militär-Standortes. Als nunmehr ziviler Flugplatz blieb Waldpolenz der fliegerischen Infrastruktur zunächst erhalten.

Verlassene Flugzeughalle
Selbst ein Gebäde mit den standardisierten Abmessungen eines Hangars wirkt im weiten Brachland unauffällig

  Link: Alter Fliegerhorst Ludwigslust


Seitenraum im Hangar
Die Strahlen der Frühlingssonne tauchen einen Seitenraum der ehemaligen Werfthalle in ein mildes Licht
Bauschutt im Hangar
Manche vermeintliche Aufräumaktionen haben Spuren hinterlassen, der Zustand vieler Gebäude ist aber vergleichsweise gut
Feuerlöscher in Flugzeughalle
Auch in der abgelegenen Flugzeughalle 6 ist die übliche Mischung aus Verfall und Zerstörung zu finden
Hangar im Brachland
Bei Aufräum- und Abrissaktionen im Jahr 2014 entfernte man einige der Gebäude, andere ließ man stehen

Flächen für einen Energiepark

Unter dem ICAO-Code EDBN machte der Brandis-Waldpolenz Airport im Jahr 2005 dicht. Doch das abgelegene Brachland hatte ein Investor für sich entdeckt. Auf 142 Hektar Fläche entstand um die Start- und Landebahn eine großflächige Photovoltaik-Anlage. Zur Fertigstellung 2009 gehörte sie zu den größten Solarparks in Deutschland. Eine Biogas-Anlage folgte 2013.

Die Überbleibsel von Sowjetarmee und deutscher Luftwaffe passten der Kommune als Eigentümer nicht so recht in das moderne Energie-Ambiente. Nach punktuellen Aufräumaktionen durch Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen rollte im Sommer 2014 eine Abrisswelle an, die Teile der Wohnhäuser, Kasernen sowie die Kommandantenvilla platt machte. Das wiederum rief den Denkmalschutz auf den Plan, der weitere Abrissarbeiten unterband. Für das Jahr 2024 stehen Genehmigungen für eine Windkraft-Anlage an, die den ambitionierten Energiepark Waldpolenz komplett machen soll. Die Kommune sieht das Engagement des potenziellen Investors positiv und sieht die Möglichkeit, noch mitzureden. Denn ab 2027 kommt die Ansiedlung pseudosauberer Energie per Dekret von oben. Damit würde sich ein anderer Kreis schließen: Begonnen hatte der Standort Waldpolenz als Blindflugschule.

Gesicherter Munitionsbunker
Pragmatische Lösung für den Munitionsbunker: Er fand für zivile Zwecke einen privaten Nachnutzer
Hof im Kasernengelände
Aus spontanem Wildwuchs ist nach Jahrzehnten quer über den Fliegerhorst ein Eichwald herangewachsen
Biogasanlage am Rollfeld
Aktuell ist der Standort durch Energiegewinnung aus Photovoltaik und Biogas geprägt, ein Windpark soll folgen

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