Schwerpunkte
Nichts mehr los - Verwaiste (Innen-)Städte
Weißer Januar
das ganze Jahr
Bereits vor einiger Zeit entstand der Begriff des Weißen Januar.
Ursprünglich bezeichnete man damit die übliche nachweihnachtliche Flaute in Gastronomie und Kulturbetrieb, die man zu überbrücken versuchte. Inzwischen ist die Flaute permanent und hat in zahlreichen Lebensbereichen um sich gegriffen. Das Sterben der Läden und Innenstädte hat bislang ungeahnte Ausmaße angenommen.

Unter lautem Diversitäts- und Vielfalts-Gedröhn hat sich ein Einheitsbrei mehltaugleich übers Land gelegt. Betraf es anfangs noch den inhabergeführten Einzelhandel, sind längst schon Filialhändler und Ketten in den Abwärtssog geraten. Shoppingcenter, die noch vor zwanzig Jahren sämtlichen Einzelhandel im drei-Kilometer-Radius ausdörrten, sind heute selbst von Leerstand und drohender Pleite gezeichnet.


Der Strukturwandel der Konsumgesellschaft gehorcht den Auswirkungen einer umfassenden Globalisierung, die in alle Lebensbereiche eingedrungen ist. Der Umbau, der eher einem Umbruch gleicht, gewann in den 1990er Jahren an Fahrt. Im Osten kam er als radikaler Bruch nach der politischen Wende. Im Westen begann er zunächst als Prozess, der sich aber zusehends selbstständig machte.


Schlecker2012 in die Insolvenz rutschte, war die Aufregung noch groß


Doch die Probleme sind auch hausgemacht. Lokale Händler zahlten Steuern und andere Abgaben, profitierten von keinen indirekten Millionengeschenken wie die globalen Akteure. Wie im Großen, so im Kleinen: Auch vor Ort machen sich die Ergebnisse ideologisch motivierter Transformationen bemerkbar. Individualverkehr zum Einkaufen wurde jahrelang unter pseudo-ökologischen Gesichtspunkten verteufelt, behindert und verteuert. Explodierende Mieten und behördliche Gängeleien beförderten die Abwärtsspirale von Ladenleerstand und Innenstadtverödung weiter. Einkauf im Offline-Modus vor Ort ist mittlerweile für viele nicht mehr populär. Die einst postulierte Geiz-ist-geil-Mentalität ist einem gnadenlosen Preisvergleichs-Diktat gewichen. Wer nicht den günstigsten Preis bei portofreiem Versand bietet, ist außen vor.


In der aktuellen Krise macht wieder einmal das Zauberwort Attraktivität die Runde - und mit ihm das jahrzehntealte Mantra von Neuerfindungen und alternativen Konzepten. Von Chancen für einen nachhaltigen Stadtumbau, von Vielfalt und Begegnungsstätten wird alsogleich gefaselt. Doch die medial hochgepriesenen und geförderten Kreativlädchen, Selbsthilfe-Werkstätten oder Nachbarschaftsscafés heizen die Abwärtsspirale nur weiter an. Sterile Fußgängerzonen, konfektionierte Shoppingcenter und das Immergleiche in allbekannten Variationen dürften die besten Gründe für das ausufernde Online-Shopping geliefert haben.


20 Prozent auf allesging die Praktiker-Kette in die Insolvenz

Corona hat bestenfalls beschleunigt, was sich bereits seit Jahrzehnten auf Talfahrt befand. Ketten dünnen ihr Filialnetz massiv aus oder ziehen sich ganz aus dem jetzt “stationären Handel” genannten Geschäft vor Ort zurück. Was bleibt, werden wohl temporär wechselnde Ausflieferungstheken dreier globaler Akteure mit erlebnisorientiertem Hintergrund sein.
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