URBANES

Lost Places brauchen kein Mindestalter

Pleitewellen sorgen für Nachschub

Zumeist stehen verlorene Orte für ein Stück Vergangenheit, das nicht mehr wiederkehrt. Oft sind es noch weitere Dinge, die den Artefakten eingeschrieben sind, häufig sind sie alt oder wenigstens aus vergangenen Zeiten. Doch Lost Places gibt es auch in fast neu.

Geschlossener Eingangsbereich eines Baumarktes
Architektonisch sicher kein Verlust, für die Standortentwicklung mit ihren Folgen aber bedenklich

Die politische Wende der 1990er Jahre führte eine Goldgräberstimmung mit sich. Rasch schossen landesweit an den Peripherien der Städte Einkaufszentren und Gewerbeobjekte im Container- und Wellblechstil aus dem Boden. Manche brachte man noch schnell unter DDR-Recht durch, andere folgten reihenweise, um irgendwie am Markt doch noch präsent zu sein. Doch die hoffnungsvollen Einkaufswelten auf der Grünen Wiese wurden bald schon durch die schwache Kaufkraft ausgebremst. Der folgende Selektionsprozess ließ aus manchen lokalen Blütenträumen Lost Places entstehen.

Werbeclaim 'Hier spricht der Preis'
Hier sprach nicht der Preis: Auch drei Milliarden Euro Jahresumsatz können in die Insolvenz führen
Geschlossenes Geschäft im Containerbau
Im Container-Ambiente fanden manche Untermieter preiswert Gewerberäume, wenigstens zeitweise
Zerstörte Reste eines Gartencenters
Ein paar Jahre Vandalismus gleichen hundert Jahre Unterschied zum klassischen Lost Place rasch aus
Ruine eines Supermarktes
Dann geh doch zu Netto! - Doch zwei Straßen entfernt sorgt Konkurrenz für raschen Niedergang

Aufbau und Abbruch Ost

Einen eigenen Schwerpunkt bietet die Architektur der 1950er und 60er Jahre. Inzwischen baulich wie ästhetisch in die Jahre gekommen, stellte sie Stadtplaner in Ost wie West vor Entscheidungen. Die damals eingebundenen Fortschrittserzählungen waren bald verblasst, ästhetische Geringschätzung und Ansehensverluste gingen damit einher. Der Osten bildete bei aller Ähnlichkeit von Baustilen und Bausünden noch einen Sonderfall. Die Verwerfungen der Wendezeit brachten bislang kaum vergleichbare Umbrüche großen Stils mit entsprechenden sozialen Folgen hervor. Sämtliche Widersprüchlichkeiten bei den folgenden Stadtumbauten waren dann auch sehr schnell politisch aufgeladen.

Plattenbaukomplex für Stasi-Zentrale
Rasch standen DDR-Bauten leer, die in gewachsenen Stadtstrukturen unschöne Fremdkörper blieben
Abriss Plattenbauwohnungen
Der Rückbau genannte Abriss von Wohnungen war kurzsichtiges Allheilmittel gegen Preisverfall
Abriss einer Messehalle
Besonders radikal erfolgten Abrissarbeiten vor dem Hintergrund großflächiger Nachnutzungen
Fassade Plattenbau-Hotel
In dem lange leerstehenden Gästehaus des Ministerrates der DDR sollen Eigentums-Wohnungen entstehen
Entkernter Plattenbau-Riegel
In Dresden verschwindet ein Plattenbau-Riegel, ein Wohn- und Geschäftspark soll an seiner Stelle entstehen
Alt und Neu am Leipziger Brühl
Klassizistische und Gründerzeit-Architektur, Plattenbauten aus DDR-Zeit und Nachwendebauten am Leipziger Brühl

Wenig Zeit für Konzepte

Vielerorts war der Fokus schnell auf reale wie vermeintliche Bausünden gerichtet, die man mit den neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten rasch ändern wollte. Material wie Personal waren nahezu uneingeschränkt verfügbar, bereitgestellte Fördermittel mussten rasch abgerufen werden. Viele ehrgeizige Vorhaben haben seither in zahlreichen Innenstädten positive Spuren hinterlassen. Architektonisch konnten viele von ihnen durch eine eigene DDR-Erbschaft punkten: Noch vorhandene hochwertige Altbausubstanz konnte meist einbezogen werden. Armut – oder die Abwesenheit von Investitionsmitteln – erwies sich an vielen Orten als der beste Konservator.

Abriss im DDR-Plattenbaugebiet
Stadtumbau kann auch zum perpetuum mobile werden, hässliches Altes macht Platz für hässliches Neues
Ruine des Kulturhauses in Buna
Sonderfall Riesenbrache: Das Klubhaus X 50 war für 20.000 Arbeiter der Buna-Werke gebaut worden
Abriss eines Konsum-Supermarktes
Ob der radikale Stadtumbau Bausünden der Vergangenheit beheben konnte, müssen andere beurteilen
Abriss eines Supermarktes
Die Konsum-Kaufhalle weicht einem neu gestalteten Platz, Umbrüche machen vor der eigenen Haustür nicht halt

     URBANES auf ZeitBrüche


Verwandte Themen:

Ruine der Sternburg-Brauerei

Hopfen und Malz - Gott erhalt's