Neubeginn und Ende


Frühling und Lost Places

  ANGEHEFTET   14 | 2:15 Min

Ein blaues Band, das durch die Lüfte flattert, wird man im Frühling neben Lost Places vergebens suchen. Die dunklen und trübsinnigen Jahreszeiten scheinen ein stimmigeres Licht auf die verlorenen Orte zu werfen. Doch der Schein trügt, kontrastreicher als im Frühling geht es nicht.

Sonnenlicht unter Brückenbogen
Die Frühlingssonne scheint auch in die verlassensten Winkel

Der Frühling bringt Hoffnung und Aufbruch. Er erfüllt die Sehnsüchte nach Wärme und dem Wiedererwachen der Natur. Dieses Repertoire stammt noch aus Zeiten, in denen es nicht selbstverständlich war, lebendig und unbeschadet über den Winter zu kommen. Heute fallen für viele die Einschränkungen geringer aus, doch auch in modernen Zeiten lebt man nicht völlig außerhalb natürlicher Kreisläufe.

Blütenstrauch vor Speicherruine
Sonnenaufgang, Blüten und Ruinen wirken fast programmatisch

Kaum einer möchte sich dem Frühling entziehen, steht er doch für einen Neuanfang. Er markiert den Beginn in einem neuen Jahreszyklus und ist oft mit Analogien zum persönlichen Lebenslauf positiv besetzt. Mit dem Frühling sind Herbst, Dunkelheit und Kälte noch weit entfernt.

Weidenkätzchen vor Hangar
Auch auf so genannten Brachflächen erwacht wieder die Natur
Kirschblüten auf Brache
Orte mit wenig Besucherverkehr sind ohnehin gut für die Natur
Bauwerk hinter Blüten
Nach nur wenigen Wochen tauchen viele Ruinen in Blüten ein

Die Natur präsentiert auch in den Jahreszeiten ihren ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens. Vielleicht liegt darin auch die scheinbar unpassende Verbindung zu den verlassenen und verlorenen Orten, ein Hinweis auf die Endlichkeit alles Daseins. Die Verbindung zwischen dem Wiedererwachen des Lebens und dem Verfall bringt Kontraste zutage und verweist auf Widersprüchliches. Doch ob Frühjahrsmüdigkeit oder erfolgreiche Abkehr vom Winterschlaf: Das Wort Frühling gehört zu den schönsten Sprachschöpfungen aus der Lutherbibel.

Pflänzchen vor Lostplace
Zaghafte Blüten können noch keinen Garten entstehen lassen
Flieder in Ruine
Aber auch in Ruinenecken nutzt die Natur ihre volle Farbpalette
Brache mit Blüten
Schönes gedeiht ohne ambitionierte Gärtner und Ratgeber
Klettenfrucht vor Mauer
Die hakige Klette als letzte Anhänglichkeit vom alten Jahr
Blätter vor Straßenbahnwrack
Bei technischen Artefakten sind die Lebenszyklen begrenzt
Blüten am Abstellgleis
Die Natur mit ihrem Kreislauf bildet eindrucksvolle Kontraste
Blüten auf Lokfriedhof
Die wiederkehrende Natur vor vergehender Technik
Lokwrack im Birkengrün
Birkengrün vor kaputter Technik an einem verlassenen Ort

Die Wissenschaft sieht den schwer fassbaren Frühling gewohnt nüchtern. Als Verursacher der typischen Frühlingsdüfte haben sie weder Maiglöckchen noch Tulpen ausgemacht, sondern eine Substanz namens Geosmin. Dieser Stoff wird von Mikroorganismen im Boden produziert und strömt aus, sobald die warme Erde im Frühjahr Geruchsmoleküle freisetzt. So hat uns auch die Erde wieder. Ein gelungener Hinweis auf Wissenschaft, Bodenständigkeit und Endlichkeit.

Storchennest auf Schornstein
Lost Places werden funktional als Nistplätze gern angenommen